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„2018 ist die Digitalisierung endgültig im Mainstream angekommen“

  • Rubrik Aus der Stiftung
  • Veröffentlichungsdatum 04.12.2018
Frauke Nippel

Künstliche Intelligenz, mehr Datenschutz, mehr digitale Bildung: Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Technologiestiftung über das zurückliegende Jahr 2018.

Portrait vor Stadtkulisse von Nicolas Zimmer

Als wir 2015 eine Studie zum Auto der Zukunft vorstellten und ankündigten, dass dieses Auto vor allem ein Computer auf Rädern sein wird, war das noch schwer zu vermitteln. Heute haben sich die meisten Verbraucher an den Gedanken gewöhnt, dass Gebrauchsgüter, die sie niemals mit Digitalisierung in Verbindung gebracht hatten, online gehen und Daten übermitteln. Wie würdest Du das zurückliegende Jahr in diese rasche Entwicklung einordnen und was kommt als Nächstes?

Das zurückliegende Jahr hat gezeigt, dass die Digitalisierung im Mainstream angekommen ist. Früher war die These „Alles wird digital“ eine Provokation, viele fanden das übertrieben. Heute zweifelt niemand mehr daran. Wir müssen jetzt die notwendige Infrastruktur schaffen – flächendeckend in Deutschland, leistungsstark und sicher. Technologisch ist die umfassende Vernetzung keine Herausforderung mehr. Wir engagieren uns für die Entwicklung von LoRaWAN, eines offenen, community-basierten Netzes, das für IoT-Anwendungen gut geeignet ist. Aber das ist thematisch und geografisch natürlich nur ein sehr kleiner Beitrag zur dichteren Vernetzung. Hier muss 5G kommen und zwar flächendeckend.

Die technologischen Herausforderungen – das ist 2018 deutlich geworden – haben sich mittlerweile in Bereiche wie die  Künstliche Intelligenz/Maschinelles Lernen verlagert. Wir haben im August eine von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betreibe geförderte Studie vorgelegt, die zeigt, woran zu diesem Thema zurzeit gearbeitet wird und was wir mittelfristig erwarten können. In Berlin wird Künstliche Intelligenz vor allem eingesetzt, um Geschäftsprozesse zu verbessern oder Bilderkennung zu optimieren. Es entstehen Programme, mit denen Maschinen jeweils eine bestimmte, hochkomplexe Aufgabe besser lösen können als Menschen. 

2018 ist diese Entwicklung der Künstlichen Intelligenz deutlich vorangekommen, aber hier liegt noch sehr viel Entwicklungspotenzial. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass Berlin auch für diese neue Entwicklung gut aufgestellt ist und einer der Orte in Deutschland ist, an dem die Künstliche Intelligenz vorangebracht wird.

Du weist darauf hin, dass die Infrastruktur hinterherhinkt. Wie sieht es denn mit den Daten aus? Sind es nicht die Daten, um die sich alles dreht und die die Entwicklung treiben?

Die Datenmenge wächst und wächst, kontinuierlich. Allerdings hat sich der Umgang mit Daten über die letzten Jahre verändert, gerade 2018 hat gleich in zweifacher Hinsicht dazu beigetragen, dass sich das Bewusstsein für den Wert der Daten verstärkt. Die Datenschutzgrundverordnung, die im Sommer in Kraft getreten ist, sorgt für mehr Transparenz über den Datenaustausch im Internet und bietet allen Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, über die Weitergabe von persönlichen Daten nachzudenken und diese stärker selbst zu bestimmen.

Zum anderen hat der Vorschlag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Verwaltungsdaten zu vermarkten, eine breitere Diskussion zum Umgang mit öffentlichen Daten in Gang gesetzt. Die Diskussion finde ich gut, wenn ich auch diesen Vermarktungsgedanken ablehne.

Zum Glück hat Berlin seinen Umgang mit Verwaltungsdaten geklärt, eine Open Data-Strategie gewählt und legt die erhobenen Daten, die nicht geheim sind, anonymisiert offen. Im Mai hat ODIS, die Open Data-Beratungsstelle für die Berliner Verwaltungen, die über eine Zuwendung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe finanziert wird und bei uns angesiedelt ist, ihre Arbeit aufgenommen, um die Behörden bei der Offenlegung zu beraten und technisch zu unterstützen.

Vor allem arbeiten wir selbst mit offenen Daten und zeigen an Beispielen, welche Möglichkeiten sich bieten. Das macht unser Ideation & Prototyping Lab, das im Februar mit einer interaktiven Kitasuche online gegangen ist und seither einige sehr attraktive Projekte durchgeführt hat. Mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), dem Kompetenzzentrum Wasser und den Wasserbetrieben haben wir beispielsweise die Daten zur Wasserqualität an den Berliner Badestellen so visualisiert, dass man sich im Internet vor dem Schwimmengehen unkompliziert informieren kann. Das Angebot hatte eine Riesenresonanz und zeigt eindrücklich, wie sinnvoll es ist, wenn Bürgerinnen und Bürger solche Daten abrufen können, am besten attraktiv aufbereitet.

Deshalb stellen wir auf den Seiten des Lab Softwaretools für alle Interessierten zur Verfügung, die selbst etwas mit Berliner Daten machen wollen.

  • Logo Ideation & Prototyping Lab Technologiestiftung Berlin

Solche Angebote sind vor allem für Leute interessant, die digital affin sind. Für eine erfolgreiche Entwicklung ist aber eine breitere Öffentlichkeit notwendig. Hat sich denn auch in der breiten Öffentlichkeit im zurückliegenden Jahr so viel getan?

Wenn man nicht gerade beruflich mit Digitalisierung zu tun hat, denkt man wahrscheinlich nicht pausenlos über das Thema nach und das ist auch in Ordnung. Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um seine Ziele zu erreichen. 

Überall da, wo die Leute den Sinn unschwer erkennen können, ist die Akzeptanz für die Digitalisierung mittlerweile sehr hoch. Da war unser Badewasserprojekt ein sehr überzeugendes Beispiel oder auch das Thema Smart Building, zu dem wir Anfang des nächsten Jahres eine von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe geförderte Publikation (Link zur Vorbestellung) herausgeben werden. Die Akzeptanz ist da, weil der Nutzen klar ist: zum Beispiel mehr Komfort, weniger Energieverbrauch. 

Unser Projekt kulturBdigital, das wir als Partnerin der Senatsverwaltung für Kultur und Europa durchführen, zeigt auch, dass immer weitere Bereiche die Digitalisierung für sich nutzen wollen und werden.

Was meines Erachtens nottut, ist mehr digitale Bildung. Nicht jeder muss eine komplexe Software programmieren können, aber im Groben wissen, wie es geht. Ich bin froh, dass das Thema „Digitale Bildung“ jetzt zum Ende des Jahres auf die Tagesordnung gerückt ist und wir uns wirklich nicht mehr darüber unterhalten, ob digitale Bildung auf den Lehrplan der Schulen gehört.

Wir haben mit Unterstützung von Samsung 2018 ein Projekt für Schulklassen angeboten, das Codingkenntnisse bei Kindern fördert und bieten regelmäßig Fortbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen an, die bei uns Anregungen für ihren Unterricht bekommen. Mit der Hacking Box, die man sich bei uns kostenfrei ausleihen kann, werden außerdem Initiativen und Gruppen angesprochen, die nicht mehr in der Schule sind, aber immer noch Lust haben, sich weiterzubilden. Bei Interesse sollte man sich frühzeitig melden. Die Boxen sind ständig ausgeliehen. 

Hacking Box

Blick in die Hacking Box mit verschiedenen technischen Geräten

Individuell zusammenstellbare Hardwareboxen für Schulprojekte, Workshops, Seminare, Hackathons & Co zum Ausleihen und Anwenden.