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Der Hundertste, der aus dem Radio kam

  • Veröffentlichungsdatum 04.04.2019
Annette Kleffel

Worin besteht das Mysterium der Langlebigkeit? Warum kann ein Mensch 122 Jahre alt werden wie die Französin Jeanne Calment oder ein Baum 43.000 Jahre wie Lomatia tasmanica in Tasmanien?

  • Podium des Treffpunkt WissensWerte zum Thema Langlebigkeit - von links nach recht: Thomas Prinzler, Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan, Prof. Johannes Vogel, Ph.D. und Prof. Dr. Reinhard Hüttl
  • Treffpunkt WissensWerte zu Gast bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Berlin

Beim Menschen, sagt Ursula Müller-Werdan, Direktorin der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité Berlin, liege die Lebenserwartung „einerseits begründet in den Genen und andererseits zum Großteil in den Lebensumständen wie Wohlstand oder Bildung.“ Wir werden in Deutschland immer älter. Heute geborene Babys werden statistisch gesehen – wenn sie ein Mädchen sind, rund 83 Jahre, Jungs gut 78 Jahre. „70 bis 80-jährige haben eine noch höhere Lebenserwartung, weil sie schon mehrere Todesursachen überlebt haben“, so Müller-Werdan, 90 oder 100 zu werden sei hierzulande keine Ausnahme. „Die meisten Leute unterschätzen, wie viele Jahre sie noch vor sich haben.“
Aber all das wird übertroffen vom ältesten Objekt im Berliner Museum für Naturkunde, „ein Ding aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystem“, weiß Generaldirektor Johannes Vogel zu berichten: ein Stein weit über 4 Milliarden Jahre alt, gut aufgehoben im Museum. 

Älter ist die Erde: 4,6 Milliarden Jahre hat sie bereits ihre Bahn um die Sonne gezogen und wird das noch weitere 3-7 Milliarden Jahre machen können. Aber das Leben auf ihr wird schon viel früher erlöschen, sagt Reinhard Hüttl, Vorstandsvorsitzender des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum. „Für uns als Lebewesen wird es nur noch so eine Milliarde Jahre weitergehen, weil uns dann die Sonne zu nahe kommt und unsere Ozeane verdampfen.“ Es könnte aber auch schon viel früher sein, denn es ist die Entscheidung des Menschen, ob der Planet lebenswert bleibt. „Es liegt an uns, wie wir uns als homo sapiens, als angeblich vernünftig denkender Mensch, diesen Anforderungen stellen.“ ist Johannes Vogel überzeugt. „99 Prozent allen Lebens, das es bisher auf der Erde gegeben hat, gibt es nicht mehr, weil es die natürliche Evolution, das Entstehen von Arten und das Sterben von Arten gibt.“ Er sei letztlich Evolutionsbiologe und das heißt, „ ohne Tod kein Leben. Es muss Platz da sein für die Nachkommen und das Andere.“
„Ich staune, was man geschafft hat“, sagt die Medizinerin Ursula Müller-Werdan, die aber das Positive betonen möchte. „Wenn ich mir ansehe, was wir als Menschheit innerhalb nur weniger Generationen geschafft haben – allein dass wir hier sitzen, wohlgenährt, wohltemperiert, dass wir Telekommunikation nutzen, das ist für mich ein großer Achtungserfolg der Menschheit.“

Was ist das Geheimnis der Langlebigkeit von Mensch, Natur und Erde? Alles hängt miteinander zusammen, erkannte Alexander von Humboldt schon vor 200 Jahren: „Alles ist Wechselwirkung.“ Bestätigung von Ursula Müller-Werdan: „Wir sind ein Konglomerat von Einzelzellen, das einen Organismus ergibt, der in der Umwelt lebt – es ist Wechselwirkung“.
Und die Erde sei ein Forschungsthema par excellence, ein bemerkenswerter Planet, der uns in der Evolution den Menschen beschert hat, betont Reinhard Hüttl. „Diese Geo-Bio-Interaktion…mit Biodiversität, Rohstoffvorkommen, Naturkatastrophen, Klimawandel – um das zu verstehen, braucht es ein bestmögliches Verständnis des Systems Erde.“ Der Evolutionsbiologe Johannes Vogel hat ein ganz praktisches Beispiel von Wechselwirkung. Berlin ist Stadt der Hundeliebhaber, sagt er, aber „die Straßen sähen nicht so aus wie sie aussehen, wenn wir nicht viele Fliegen hätten, die dafür sorgen, dass da was ganz schnell beseitigt wird. Das macht nicht nur die BSR, das macht auch die Natur… Fangen sie an, die Fliegen zu lieben.“
 

Auf dem Podium waren:

Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan Direktorin
Klinik für Geriatrie und Altersmedizin
Charité - Universitätsmedizin Berlin

Prof. Johannes Vogel, Ph.D. 
Generaldirektor
Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung 

Prof. Dr. Reinhard Hüttl 
Vorsitzender des Vorstands
Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ 

Treffpunkt WissensWerte ist eine Reihe der Technologiestiftung Berlin und Inforadio (rbb). Die Aufzeichnung der 100. Sendung fand am 11. März 2019 in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin statt, und kann hier für begrenzte Zeit auf inforadio.de abgerufen werden. Wir danken der PTB für ihre Gastfreundschaft.

Der Treffpunkt WissensWerte wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und die Investitionsbank Berlin aus Mitteln des Landes Berlin.

Thomas Prinzler, Foto: Erik Reinholz-Ruthenberg, Technologiestiftung Berlin

Ein Blogbeitrag von Thomas Prinzler, Wissenschaftsredakteur bei Inforadio (rbb).

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