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Soup & Science: Die solare Zukunft

Um dem Klimawandel entgegenzuwirken werden erneuerbare Energiequellen wie Solarstromanlagen immer wichtiger. Gerade in Städten, die oft über wenige freie Flächen und einen großen Baubestand verfügen, kann die bauwerkintegrierte Photovoltaik die Energiewende voranbringen. Dazu forscht und berät Samira Jama Aden am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. Sie war zu Gast beim Lunchtalk Soup & Science, einer Kooperation von rbb24 Inforadio und der Technologiestiftung Berlin.   

Bildtitel: IAA 2012, Frankfurt, Solargate für SMART © SOLARTENSION GMBH

Beim Begriff der Photovoltaik denkt man wahrscheinlich zuerst an riesige Solarparks auf Freiflächen mitten im Nirgendwo oder an kleine Panels, die auf Dächern von Gebäuden angebracht sind. Samira Jama Aden befasst sich jedoch auch mit einem weiteren Aspekt der Solarenergie: der bauwerkintegrierten Photovoltaik. Solarpanels werden hierbei zu einem Bestandteil der Fassade und Architektur von Gebäuden und ersetzen das Baumaterial. Die kleinteiligen Solarmodule werden dabei mithilfe von Baukastensystemen zu einem großen Modul zusammengeschaltet. So gibt es schon heute Dachziegel, die als Photovoltaik-Module fungieren und optisch nicht von gewöhnlichen Ziegeln zu unterscheiden sind.  

Doch die Expertin unterscheidet nicht zwischen Dach oder Fassade: „Aus der Architektur heraus sehen wir die Gebäudehülle -  das Dach und die Fassade ist eins. Man kann sich das vorstellen wie eine Haut des Gebäudes.“ So ergänzen sich die einzelnen Gebäudeteile je nach Jahreszeit: Im Sommer steht die Sonne am höchsten und bevorteilt die Stromerzeugung auf dem Dach, in den restlichen Jahreszeiten wird die Fassade als Hauptenergiequelle durch eine niedrig stehendere Sonne begünstigt. Somit wird eine komplementäre Energiegewinnung auf gleichbleibendem Niveau gewährleistet.  

Beratungsstelle und Reallabor

Allerdings gibt es noch viele Vorbehalte: Laut Frau Aden sei die Baubranche noch zu träge und viele Architekt:innen sehen in der Integration von Photovoltaik einen Mehraufwand an Arbeit und höhere Kosten. Auch im Hinblick auf die Elektronik und die Vielzahl an Kabeln, die in der Fassade verbaut werden, gebe es noch viele Unsicherheiten hinsichtlich des Brandschutzes. All diesen Sorgen nehmen sich Samira Aden und ihre Kolleg:innen der Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BAIP) am Helmholtz-Zentrum in Berlin an. In Seminaren und Workshops informieren sie alle interessierten Bauverantwortlichen, Stadtentwickelnden und privaten Hauseigentümer:innen über gesetzliche Rahmen bis hin zur architektonischen Ausführung von Modulen. Zwar seien die integrierten Module noch einmal teurer als aufgeständerte Solarpanels auf dem Dach, jedoch könne das Ersetzen des herkömmlichen Baumaterials zu einem Mehrgewinn führen. Zusätzlich ergeben sich je nach Ausrichtung und Standort der Solarzellen unterschiedliche Stromerträge. Südflächen eignen sich aufgrund der Sonnenstrahlung vermehrt und Verschattungen sollten vermieden werden.

Beim Design der Photovoltaik-Module ist laut der studierten Architektin, die aus den Bereichen der Bildenden Kunst und Ästhetik kommt, heutzutage fast alles möglich. So ist die Gestaltung von Modulen zum Beispiel in unterschiedlichen Größen und Farben möglich. Zwar erzeugen dunklere Paneele mehr Energie, jedoch müsse man Faktoren wie eine mögliche Überhitzungsgefahr oder Blendungen berücksichtigen.    

Um genau solche Praxiserfahrungen zu sammeln, etablierte das Helmholtz-Zentrum 2021 ein Reallabor zur bauwerkintegrierten Photovoltaik. Am Gebäude, das mit 120 Messstationen und Sensoren an der Photovoltaik-Fassade ausgestattet ist, wird unter anderem das Verhalten der Fassadenmodule in Bezug auf die Hitzeentwicklung, die Bestrahlung, die Hinterlüftung und verschiedene Dämmungsdicken untersucht. Man sei praktisch „live dabei am Gebäude“. Auch wurde beobachtet, dass die Anlage selbst im Falle eines oberflächlich defekten Moduls weiterarbeiten und Strom generieren kann.  

Wichtiger Baustein gegen den Klimawandel?

© Pompinon

Um die Energiewende zu meistern, so Expert:innen, soll der Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 größtenteils klimaneutral gestaltet werden. Samira Jama Aden sieht allerdings noch einen langen Weg hin zu diesem Ergebnis: „Jetzt beginnt erst das Bewusstsein, wie kann ich mein Gebäude aktivieren?“ Mit dem Anfang 2023 in Kraft getretenen Solargesetz Berlin werden die Verantwortlichen zumindest gezwungen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aden hofft, dass sich so die anfängliche Skepsis zerstreut und Photovoltaik-Module, und letztlich auch die Bauwerkintegration, immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Zwar gibt es schon das Bewusstsein gerade bei Neubauten die Möglichkeiten der Solarstromanlagen zu nutzen, die größte Herausforderung stellt jedoch der riesige Baubestand der Millionenmetropole Berlin dar. Laut Aden bieten sich für dessen Sanierung zum Beispiel leichte und flexible Solarfolienmodule an, die einfach an Gebäudefassaden angeklebt werden.   

Das gewaltige Potenzial endet jedoch nicht bei bewohnbaren Gebäuden. Der Begriff der Bauwerkintegration lasse sich weit fassen: So gehe es auch um Brücken, Überdachungen von Parkanlagen und Lärmschutzwänden bis hin zu versiegelten Flächen, wie Straßen. „Alles, was wir menschengemacht erbauen, können wir auch klug machen und aktivieren.“ 

 

Der Lunchtalk Soup & Science ist eine gemeinsame Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin mit rbb24 Inforadio. Das Gespräch ist in der ARD-Audiothek als Podcast verfügbar.

Soup & Science

Eine junge Frau hat Kopfhörer in den Ohren, die mit einem Mobiltelefon verbunden sind.

Die Veranstaltungsreihe stellt Berliner Wissenschaftlerinnen und Ihre Forschungsthemen vor. In Kooperation mit rbb24 Inforadio.