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  • Thema Neue Technologien

Heizenergie sparen durch Digitalisierung: Smart Building und Smart Home

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  • Veröffentlichungsdatum 03.09.2022
Dr. Christian Hammel

Maßnahmen zum Energiesparen sind in aller Munde. Doch was kann jede:r Einzelne, von der Mieter:in über die Hausverwaltung bis zum Unternehmen, tun, um Heizenergie einzusparen? Wir schauen auf Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Arbeit der Technologiestiftung und betrachten den aktuellen Stand der Smart Home-Technologien. Denn: Einsparmöglichkeiten gibt es – und nicht zu wenig. 

Das digitale Gebäude, eigene Darstellung Technologiestiftung Berlin, 2021

Ein relevanter Beitrag zu Einsparzielen bei zentralbeheizten Gebäuden ist realistisch

Berlin könnte durch konsequente Digitalisierung in Gebäuden zwischen ¼ und ½ Mio. Tonnen CO2 im Wohngebäudebestand einsparen. Die Berechnung, Ergebnisse aus eigenen Pilotprojekten der Autor:innen und die Erklärung, wie diese Maßnahmen funktionieren und was sie bewirken, ist in unserer Studie „Daten – Energieeffizienz –Dekarbonisierung“ nachzulesen. Wesentliche Elemente sind intelligente Einzelraumregelung, intelligente Regelung von Heizkesseln und anderen zentralen Anlagen sowie die Einführung von Energiemanagementsystemen. Viele Maßnahmen beziehen sich vor allem auf Gebäude mit Zentralheizungen. Deren Betreibersind neben den großen Immobilienunternehmen vor allem viele kleinere Hausverwaltungen, die für kleinere Einzeleigentümer oder Eigentümergemeinschaften tätig sind. Für diese Zielgruppe haben wir einen Leitfaden „Wohngebäude digitalisieren in drei Schritten“ veröffentlicht. Dieser Leitfaden zeigt, wie man in der Praxis solche Digitalisierungsprojekte angehen kann. Die Nachdigitalisierung von Bestandsgebäuden kann bei relativ überschaubaren Kosten signifikant Energie einsparen. Maßnahmen wie niedrigere Raumtemperaturen kann sie nicht ersetzen.

Gasetage und EFH oder wenn Nutzer:innen ihre Brennstoffe selbst kaufen

Außer den fernbeheizten und zentralbeheizten Wohnungen ist ein hoher Anteil im Bestand mit Gasetagenheizungen oder - vor allem im Ein- und Zweifamilienhausbereich - mit kleinen Ölheizungen ausgestattet. Dort kaufen die Nutzer:innen nicht nur den Brennstoff selbst, sondern auch etwaige Energiespartechnik. Ein Grund, sich nochmal anzusehen, was von aktueller Smart Home-Technik zu erwarten ist und was nicht. Begrifflich folge ich hier „Daten – Energieeffizienz –Dekarbonisierung“, wo Smart Home Technik von Smart-Building Technik dahingehend abgegrenzt wird, dass erstere von Mieter:innen oder Nutzer:innen selbst angeschafft wird und nicht in übergeordnete Systeme eingebunden ist. Smart Building-Technik dagegen wird betreiberseitig angeschafft und in übergeordnete Systeme (Energiemanagement, Heizkesselregelung,…) eingebunden. Dass Einfamilienhausbesitzer:innen im Gegensatz zu Mieter:innen Zugang zum Heizkessel haben und dort Parameter wie Nachtabsenkung, Vorlauftemperatur, Pumpenleistung usw. selbst einstellen können, kann die Möglichkeiten von Smart Home Heizungsreglern zwar ausweiten, sei aber an dieser Stelle ausgeklammert, um nicht auszuufern, zumal nur die wenigsten Smart Home Produkte die Einbindung der Heizanlage selbst vorsehen. Im Folgenden werden Smart Home Systeme betrachtet, die innerhalb der eigenen Wohnung arbeiten. Als Technologiestiftung konzentrieren wir uns auf eine Erklärung dieser Systeme, ergänzt durch Praxiserfahrungen des Autors. Produkttests oder -empfehlungen gibt es bei uns selbstverständlich nicht.

Wohnung mit intelligenter Einzelraumregelung, eigene Darstellung Technologiestiftung Berlin, 2021

Smart Home Technik oder automatisierte Einzelraumregelung in Eigenregie

Die Baumärkte und Onlineshops sind voll mit Smart Home Systemen. Diese steuern Heizungen, Beleuchtung, Türschlösser, Rauchmelder, Alarme, Rolläden, Markisen und wunderweiß was alles mehr. Für das Energiesparen relevant ist insbesondere die Funktion der Heizkörpersteuerung. Um das Wichtigste vorauszuschicken: Es handelt sich bei diesen Systemen um reine Bequemlichkeitstechnologie, auch bei den Heizkörperreglern. Mit dieser Technik lässt sich erstmal überhaupt keine Energie einsparen, die man nicht auch durch Disziplin beim Heizen und Lüften einsparen könnte. Da der Mensch aber nicht immer so diszipliniert ist, bei jedem Lüften den Heizungsregler abzudrehen oder beim Verlassen der Wohnung alle Heizkörper herunterzudrehen, geben nicht nur die Hersteller, sondern auch diverse Testberichte in der Technikpresse realistische Einsparungen von 10-15% an. Ob sich das lohnt, ist anhand der eigenen Brennstoffrechnung, der Gerätepreise und den Ausgaben für neue Batterien alle ein bis zwei Jahre, leicht selbst zu berechnen. Eigene Erfahrungen kann ich leider nicht quantifizieren: Ich habe kurz vor Corona zwar eine entsprechende Reglung eingebaut, heize aber seitdem dank Homeoffice deutlich mehr. Der Brennstoffverbrauch ist in etwa gleich geblieben, aber ob das am milden Winter oder an smarten Reglern lag?


Grundsätzlich sind vier Varianten solcher Heizkörperregler-Systeme am Markt (unvernetzte Regler, Regler, die nur mit einem einzelnen Sensor vernetzt sind und solche, die mit einer Zentrale oder einer Cloud vernetzt sind).


Ganz einfache Systeme bestehen nur aus einem Heizkörperthermostat, an dem sich Heizzeiten programmieren lassen. Solche Regler sind ausgesprochen preiswert, sie „sprechen“ aber nicht mit anderen Systemen und auf einem Miniaturdisplay unter der Fensterbank Heizzeiten einzugeben oder Temperaturen abzulesen macht wenig Freude. Angeblich können viele dieser Modelle Fensteröffnungen durch den „Temperatursturz“ erkennen und dann für 5 oder 10 Minuten den Heizkörper abregeln. Ich habe einige Modelle ausprobiert und kein Einziges gefunden, bei dem das auch funktioniert hat. Vermutlich, weil neben dem Heizkörper unter der Fensterbank gar kein besonders ausgeprägter Temperatursturz stattfindet. Wer damit Brennstoffe sparen will, wird die Heizung beim Lüften wohl weiter selbst abdrehen müssen. Gegen Vergesslichkeit bei (planmäßiger und regelmäßiger!) Nichtnutzung eines Raumes können sie helfen.


Alle vernetzten Systeme sind in der Lage, mit anderen Komponenten Daten auszutauschen. In der simpelsten ist das ein einzelner Fensterkontakt, der für eine funktionierende Lüftungserkennung sorgt. In dieser Zusammenstellung ist das aus den Ladenregalen weitgehend verschwunden, aber aus Einzelkomponenten mancher Hersteller könnte man sich das noch zusammenstellen. Alle anderen Systeme tauschen Daten entweder mit einer Zentrale (das ist ein Minicomputer in der Raspi-Klasse) oder einer Cloud aus. Erst dadurch werden sie Teil einer smarten Wohnung, in der viele weitere Funktionen durch Zentrale oder Cloud gesteuert werden können. Dadurch wird auch der Zugriff von außen per Smartphone möglich. Die Unterschiede liegen im Wesentlichen darin, dass cloudbasierte Systeme oft moderneren Bedienoberflächen haben und deshalb etwas ansehnlicher aussehen und dass sie viele vorkonfigurierte Einbindungen und Verknüpfungen enthalten, so dass die Inbetriebnahme und Verknüpfung der Komponenten leichter fällt. Auch der Fernzugriff ist oft unkomplizierter und technisch sicherer einzurichten. Zentralenbasierte Systeme sind oft vielseitiger, da die Konfigurations- und Programmiermöglichkeiten meistens größer sind. Viele, aber nicht alle, dieser Systeme sind auch darauf ausgelegt, dass Daten die Wohnung nicht verlassen. Die Einrichtung eines Zugriffs von außen kann allerdings empfindliche Löcher in die heimische IT-Sicherheit reißen und nur wenige Hersteller bieten Anleitungen, wie das auch ohne Portweiterleitungen geht. Zentralen sind meist auch die einfachere Möglichkeit, Komponenten anderer Hersteller einzubinden - wobei manche Clouds das über Plattformen wie IFTTT inzwischen auch ermöglichen. Cloud oder Zentrale ist also eher Geschmackssache. Systeme unterschiedlicher Hersteller unterscheiden sich vor allem in der Vielfalt lieferbarer Komponenten und im Preis. Gut in diesem Zusammenhang ist, dass Sets zur Heizkörperregelung bei vielen Herstellern gelegentlich als vergünstigtes „Starter-Kit“ angeboten werden. Wer über die Heizungsregelung hinaus gerne bastelt, wird neben beachtlichen Preisen für teils eher triviale Sensoren an beiden Varianten seine Freude haben. Ab einer gewissen Schachtelungstiefe von wenn-dann-Logiken oder einer Unzahl von Events wird man aber auch schnell verstehen, warum Technische Gebäudeausrüstung ein eigener ingenieurwissenschaftlicher Studiengang und Gebäudetechnik ein Ausbildungsberuf ist.
 

Was (hoffentlich) kommt 

In „Daten – Energieeffizienz –Dekarbonisierung“ wird gezeigt, dass sich aus programmierbaren Reglern deutlich mehr herausholen lässt, wenn diese mit einer KI-basierten Regelung verbunden sind. Gemeint ist damit, dass die Thermostate oder eine andere Komponente des Regelungssystems Heizkurven „selbständig“ auf Basis der tatsächlichen Nutzung von Räumen ermitteln und z.B.  Anlagen herunterfahren, wenn niemand im Raum ist. Das kann eine deutliche Optimierung im Vergleich zu festen Programmen bewirken. Für den gewerblichen Markt sind solche Systeme bereits verfügbar. Spoiler: auch aus Berlin! Für den Privatkundenmarkt habe ich solche Komponenten noch nicht gesehen, auch nicht für ambitionierte Bastler:innen. Da heute z.B. moderne Klimaanlagen oder Lüftungsanlagen meist schon einen Bewegungsmelder haben, der die Anlagen herunterregelt, wenn niemand im Raum ist, hoffe ich stark, dass wir so etwas im Smart Home-Bereich auch bald sehen.

Sollte es unter unseren Leser:innen Firmen, Entwickler:innen oder private Bastler:innen geben, die an der Einbindung von Anwesenheitsmeldern ins Smart Home arbeiten, bin ich für Hinweise dankbar und organisiere gerne ein Treffen zum Erfahrungsaustausch, falls Interesse besteht.