Partnerwahl in der IoT-Cloud – IoT aus der Sicht einer Datenplattform

Wer zu René Bohne will, hat es nicht ganz einfach. Bohne arbeitet als Startup Program Manager für die neue IoT-Plattform Geeny. Deren Büros befinden sich im 10. Stock eines Hochhauses an der Berliner Charlottenstraße. Sechs Fahrstühle stehen in dem Hightech-Haus zur Verfügung, aber alle ohne Schalter und Knöpfe. Einfach in den erstbesten Lift einsteigen, geht nicht: Kein Fahrstuhl fährt los, ohne dass der Pförtner des Hauses die Zieletage für den Besucher einprogrammiert hat. Es riecht förmlich nach Vernetzung – das Internet der Dinge beginnt hier bereits am Empfang. „Fahrstuhl 3 bitte“, sagt der Portier zum Besucher. Nur dieser eine befördert ihn jetzt in die zehnte Etage und hält sonst nirgends.

Das Fahrstuhlkonzept könnte von René Bohne stammen, denn während seines Informatikstudiums an der RWTH Aachen waren „Embedded Systems“ sein Schwerpunkt. Diese IT-Systeme messen, steuern und regeln die Anlagen, in die sie eingebettet sind, zum Beispiel Fahrstühle. „Das ist alles sehr physikalisch“, beschreibt der Diplominformatiker sein Fachgebiet. Darauf sprach ihn vor etwa einem Jahr während einer Veranstaltung zu 3D-Druckern Moritz Diekmann, der für Geeny verantwortliche Geschäftsführer von Telefónica Germany NEXT GmbH, an. Bohne war überrascht, dass Telefónica Deutschland eine neue IoT-Plattform startete: „Der Zusammenhang zwischen Telefónica und IoT war mir damals nicht klar“, sagt Bohne und fährt fort: „Das Thema IoT hielt ich für die Forschung nach meinem Studium für längst erledigt“. Doch Diekmann überzeugte ihn vom Potenzial des Internet der Dinge in der Praxis und holte ihn ins Team von Geeny. „Consumer-IoT und Telekommunikationsunternehmen ergibt einen eigenen Sinn und das Thema IoT ist keineswegs erledigt, sondern fängt gerade erst an, relevant zu werden.“, ist Bohne heute nach einjähriger Tätigkeit für Geeny sicher.

Consumer-IoT und Telekommunikationsunternehmen ergibt einen eigenen Sinn und das Thema IoT ist keineswegs erledigt, sondern fängt gerade erst an, relevant zu werden

René Bohne :
Telefonica Next

Interview: Wie René Bohne von Telefonica Next mit seiner Plattform aus den IoT-Daten neue Dienste schafft

Herr Bohne, was ist Ihre Aufgabe bei Geeny?

Ich bin seit rund einem Jahr Startup Program Manager bei Geeny und kümmere mich um Startups. An uns wenden sich Startups aus dem IoT-Sektor, die Unterstützung brauchen oder Geld – oder beides. Manche haben bereits ein Produkt und suchen die passende IoT-Plattform, andere haben nur einen Prototyp und suchen Investoren. Sie stellen mir ihr Konzept vor und ich bewerte dann, ob es zu Geeny passt.

Was ist Geeny und in welcher Verbindung steht Geeny zu Telefónica Deutschland?

Telefónica Deutschland hat im August 2016 die datenbasierten Felder IoT und Advanced Data Analytics, also Big-Data-Anwendungen, in der neu gegründeten Tochterfirma Telefónica NEXT zusammengefasst. Für den Bereich IoT, zu dem Geeny gehört, ist Moritz Diekmann verantwortlich, Geschäftsführer bei Telefónica Germany NEXT GmbH. Geeny ist die Cloud-Plattform für das Internet der Dinge und gehört zu Telefónica NEXT. Geeny ist jedoch nicht einfach nur eine IoT-Plattform, sondern ein offenes Ökosystem für Consumer IoT. Geeny heißt aber auch unser Team, das sich um die Entwicklung der Plattform kümmert und aus rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht.

Im Juli dieses Jahres haben wir Geeny als Alpha-Version für Entwickler geöffnet. Mehrere Hardware-Partner mit smarten Geräten arbeiten gerade an der Plattformintegration. 2018 soll die Plattform dann auch für Endkonsumenten geöffnet werden.

Wie sind Sie mit IoT in Berührung gekommen?

Embedded Systems waren Schwerpunkt meines Studiums, die waren zumeist schon vernetzt und hießen Connected Devices; daraus wurde eigentlich später IoT. In meiner Diplomarbeit habe ich 2009 ein solches IoT-Device konzipiert: LumiNet, eine beleuchtete Jacke für das „Burning Man Festival“ in den USA, das gilt als das Technik-Festival der Technik-Freaks. Heute würde man die Jacke als Wearable bezeichnen. Das Ding hatte 80 Micro-Controller, um die LEDs anzusprechen; jede konnte einzeln leuchten. In der Tasche hatte der Träger einen kleinen Controller, mit dem das Beleuchtungsmuster der Jacke gesteuert wurde.

Die Jacke würde wahrscheinlich heute mit einem Smartphone über eine Cloud-Plattform wie Geeny gesteuert. Was unterscheidet Geeny von anderen IoT-Plattformen?

Geeny ist eine reine Consumer-IoT-Plattform, in deren Zentrum der Nutzer-Account steht. IoT-Objekte, also Geräte, können mit dem Account verknüpft werden. Danach können Daten von dem Gerät empfangen und verarbeitet werden. Auf der Plattform stellen wir verschiedene Datenbanken und andere Speichermöglichkeiten zur Verfügung, wie auch verschiedene Algorithmen zur Weiterverarbeitung und Auswertung. Eine breite Palette von Präsentationsformen ist ebenso vorhanden.

Haben Sie ein Beispiel für das Zusammenspiel der Plattformkomponenten mit IoT-Geräten?

Nehmen wir beispielsweise eine vernetzte Küchenwaage, die gemeinsam mit einer App genutzt wird. Die Waage ist per Bluetooth an die App auf einem Smartphone gekoppelt. Man kann der App sagen: Ich möchte einen Cocktail Tequila Sunrise mixen. Die App kennt das Rezept, zeigt die notwendigen Zutaten an und fragt zuerst, ob alle vorhanden sind. Der Kunde kann dann überprüfen, ob er über die Bestandteile für den gewünschten Cocktail verfügt oder zunächst einkaufen gehen muss. Nach einem Klick auf OK bittet ihn die App, ein leeres Glas auf Waage zu stellen. Die Anwendung ermittelt das Gewicht des Glases und beginnt mit der Zusammenstellung des Cocktails. Im ersten Schritt fordert sie den Nutzer auf: „Fülle Tequila ein, bis ich Stopp sage“. Die Waage misst kontinuierlich den Füllstand, sendet den Wert an die App und die entscheidet, wann es genug ist. Anschließend erfolgt das Gleiche mit der nächsten Zutat, dem Orangensaft. Wenn zu viel eingefüllt wird, passt die App das Rezept an und es muss gegebenenfalls von einer anderen Komponente etwas nachgefüllt werden.

Dieses Beispiel zeigt, dass man durch solche IoT-Anwendungen die Welt der Maßeinheiten, wie Gramm oder Liter, verlassen kann und auf vereinfachte Weise zu Anwendungen wie Cocktails kommt. Das bedeutet, ohne Kenntnisse über das Mixen von Cocktails gelingt deren Herstellung. Ebenso könnte man Kuchen backen, obwohl man vom Backen keine Ahnung hat.

Was ist das Besondere an Geeny?

Die Plattform dient dazu, Entwickler, Nutzer und Hardware-Hersteller zusammenzubringen. Im obigen Beispiel könnte ein anderes Startup eine App zum Backen von Weihnachtskeksen beisteuern oder für eine andere Kategorie von Cocktails. Ein weiteres Unternehmen könnte beispielsweise KI-Module für die Auswertung der Ernährungsgewohnheiten für die Plattform liefern.

Wir wollen weg von der einfachen Vernetzungsebene, bei der die Waage lediglich Daten ins Internet übermittelt. Jetzt kommen Assistenzsysteme hinzu, die Mehrwert bieten.

Über Geeny könnte ein Nutzer zudem verschiedene Geräte verknüpfen. Zum Beispiel, wenn ein vernetzter Backofen erscheint. Der käme vielleicht von einem anderen Startup. Die Anbieter kennen sich gar nicht. Entwickler entdecken auf der Plattform den Backofen und kommen auf die Idee, dafür eine Kuchen-App zu programmieren.

Sie wählen Startups mit zu Geeny passenden Projekten aus – welche IoT-Projekte sind geeignet?

Es geht uns nicht darum, Geräte mit SIM-Karten auszustatten, sondern der Nutzen für den Menschen muss im Zentrum stehen und er muss die Kontrolle über seine Daten haben. Der Umgang mit persönlichen Daten ist nach unserer Meinung ein zentrales Thema. Die Daten gehören nur dem Nutzer – er bestimmt, was damit gemacht werden darf und was nicht. Nur er kann entscheiden, welche Algorithmen für die Weiterverarbeitung der Daten seiner Geräte auf unserer Plattform genutzt werden, beispielsweise künstliche Intelligenz, Big Data oder auch einfachere Dienste. Das heißt, der Nutzer entscheidet auch, welche Auswertungen möglich sind.

Wie präsentiert sich die Plattform, wie ist sie aufgebaut?

Für die Entwickler und Nutzer stellt sich Geeny als ein B2C–Marktplatz dar, nach dem Vorbild der Appstores von Apple oder Google für Smartphone-Apps. Wir wollen auf der Plattform drei Zielgruppen zusammenbringen: Nutzer, Entwickler und Anbieter von Geräten.

Nutzer können sich einloggen, ihre Daten einsehen und Einstellungen vornehmen, etwa Daten freigeben für neue Apps. Wie im Appstore von Apple oder Google sehen sie, welche weiteren Apps für ihr IoT-Gerät verfügbar sind. Einer der Hauptgründe, sich bei Geeny mit einem Login zu verknüpfen, ist die Übersicht über Geräte, Apps und mögliche neue Verknüpfungen und Anwendungen, also Neuerscheinungen.

Für Entwickler stellt sich Geeny anders dar. Wir bedienen drei Arten von Entwicklern. Die Konstrukteure von Geräten bilden eine Gruppe. Für sie bieten wir verschiedene Entwickler-Tools an, darunter zum Beispiel ein Mobil-SDK oder ein SDK, um Geräte an die Plattform als Datenquelle anbinden können. Weitere Bestandsteile sind sichere Kommunikation, Interfaces, sichere Login-Verwaltung mit OAuth2 und so weiter. Die Plattform stellt auch Schnittstellen zu Mobilfunkdiensten zur Verfügung, die aber nicht auf Telefónica beschränkt sind, sondern genauso gut für andere Anbieter genutzt werden können.

Anwendungsentwickler bilden die zweite Gruppe. Sie kreieren Use-Cases – Anwendungsfälle –, woraus neue Anwendungen entstehen. Sie können auf Geeny nachschauen, welche Datenquellen, also Geräte, verfügbar sind, und welche Daten diese liefern können. Daraus wählen sie die für ihre Anwendung Sinnvollen aus. Die Anwendungen müssen keinen Bezug zum Mobilfunk haben, sie können davon völlig unabhängig sein.

Die dritte Gruppe entwickelt sogenannte Value Added Services, also zusätzliche Dienste, die beispielsweise Auswertungen oder Weiterverarbeitungen von IoT-Daten vornehmen. Das können KI-Module oder auch Datentransformationen sein. Anwendungsentwickler können diese Module zusammenstellen und in ihre App einbinden.

Betreibt Telefónica NEXT die Plattform selbst oder wird sie extern gehosted?

Die Geeny-Plattform wird auf einer Cloud-Lösung in der Europäischen Union gehosted.

Für viele Nutzer und Entwickler dürfte es aber entscheidend sein, wo deren Daten liegen, wer Zugriff hat und wie sie gesichert werden.

Wie erwähnt, haben wir selber keinen Zugriff auf Nutzerdaten. Geräte kommunizieren ausschließlich verschlüsselt mit der Geeny-Plattform, sodass die Geräte gegen Datenmissbrauch und Hacker geschützt sind. Außerdem müssen sie sich identifizieren, bevor sie Zugriff zur Plattform erhalten.

Welche Vorteile bietet Geeny gegenüber anderen IoT-Plattformen, warum sollte ein Entwickler zu Geeny kommen, statt zu Konkurrenten wie Bluemix zu gehen?

Unsere Plattform ist einfach und übersichtlich aufgebaut. Der Nutzer bekommt eine vollständige Übersicht über seine Daten und die Datenhistorie. Er kann so sehen, welche Daten er wann mit wem geteilt hat. Entwickler und Anwender bekommen sofort einen Überblick über verfügbare IoT-Hardware, Apps und Auswertungen. So ein Öko-System habe ich für den Bereich Consumer-IoT auf anderen Plattformen noch nicht gesehen. Außerdem können bei uns drei verschiedene Zielgruppen zusammenkommen, die sonst nicht miteinander in Kontakt stehen. Außerdem soll es Foren geben, in denen jede Gruppe erkennen kann, was von den Anderen nachgefragt wird. Wir leisten Unterstützung an den Schnittstellen zwischen den Interessenten: Was wird gebraucht oder wie kommt man auf die Plattform. Unsere Aufgabe ist es, Transparenz herzustellen und Kommunikation zu fördern. Meines Wissens liefert keine andere Plattform diese Funktionalität.

Ergänzend nimmt Geeny Startups, die IoT-Komponenten entwickelt haben, das gesamte Device-Management ab. Sie müssen sich beispielsweise nicht mehr um Firmware-Updates kümmern. Updates können über die Plattform verteilt werden. Das Gleiche gilt für das Nutzer-Management: Anbieter müssen sich nicht mehr um sichere Logins oder die Verwaltung der Nutzerdaten kümmern – das übernimmt Geeny. Unsere Plattform propagiert Offenheit und Transparenz, wir bieten deshalb auch Schnittstellen zu anderen Cloud-Diensten und -anbietern. Wir produzieren daher auch so viel als Open Source, wie möglich.

Welches Investitionsvolumen plant Telefónica Deutschland für diese Plattform, wie hoch war der Entwicklungsaufwand?

Als junges Unternehmen hat Telefónica NEXT noch keine Finanzkennzahlen ausgewiesen. Wie erwähnt, arbeiten wir allerdings seit August 2016 mit einem Team aus über 50 internationalen Expertinnen und Experten, unter anderem für Softwareentwicklung, Hardware, User Experience und andere IoT-Felder, an der Entwicklung der Geeny-Plattform.

Was waren wichtige Erfahrungen während Ihrer Zeit bei Geeny?

Die Programmierwerkzeuge, also SDKs, hatten wir am Anfang gar nicht so auf dem Schirm, bis Kunden danach fragten. Wir haben generell viel auf Kundenwünsche wie Feature-Request reagiert und unser Angebot sowie die Plattform angepasst. Das Vorgehen hat sich bewährt und war möglich, weil wir komplett nach agilen Methoden arbeiten. Dadurch können wir schnell neue Features einbauen.

Unsere Entwickler arbeiten in den verschiedensten Programmiersprachen. Das Backend, also die Infrastruktur der Plattform wurde in Scala programmiert, für das Frontend, also die Benutzeroberfläche kommen verschiedene Sprachen zum Einsatz, unter anderem Rust. Wir arbeiten mit vielen Sprachen, ich habe hier schon so ziemlich alle gängigen Programmiersprachen gesehen. Wir setzen lediglich gewisse Standards, die eingehalten werden müssen, ansonsten ist es Sache der Entwickler, eine geeignete Sprache auszuwählen. Java ist in vielen Bereichen unumgänglich, wir arbeiten aber auch in C oder C++. Wenn wir Programmierer suchen, geht es gar nicht darum, welche Sprachen sie können, sondern es geht um Programmiererfahrungen auf bestimmten Gebieten, etwa in der KI. Die meisten Entwickler können schnell eine neue Sprache lernen. Wir stellen den Entwicklern natürlich auch geeignete Tools zur Verfügung, damit alles leicht programmiert werden kann und schnell auf die Plattform kommt.

Was haben Sie beziehungsweise Ihr Unternehmen aus Geeny lernen können und welche Auswirkungen auf die Zukunft erwarten Sie daraus?

Telefónica Deutschland sitzt in München, aber wir sind mit Geeny in Berlin, weil hier die Startups sitzen. Diese Entscheidung war richtig, denn hier kommen wir sehr leicht und schnell mit ihnen in Kontakt. Die Szene ist gut vernetzt, sowie auch die Entwickler. Berlin ist neben München und anderen Städten zu einem der wichtigsten Standorte für Entwickler geworden. Wir sind zwar ein internationales Team, doch auch international ist es schwierig gute Leute zu finden, vor allem Entwickler. Das ist der Standort wichtig.

Mit Geeny schafft sich Telefónica Deutschland ein IoT-Kompetenzzentrum mit dem Schwerpunkt Endkundenanwendungen. Telefónica hat einen Startup-Incubator in München, das ist Wayra Deutschland. Wayra fördert Startups, aber mit Geeny können wir zusätzlich technische Unterstützung bieten. Es gibt sehr viele Startups, die etwas mit IoT machen wollen. Jetzt wird über eine Wayra Deutschland-Vertretung in Berlin nachgedacht.

Wenn Sie erneut vor der Aufgabe ständen, eine neue IoT-Plattform aufzubauen, was würden Sie anders machen?

Vielleicht schon gleich zu Anfang mehr auf Startups zugehen und sie früher einbinden. Dadurch bekommt man Feedback, was gebraucht wird, was fehlt und dergleichen. Gut war, dass wir von Anfang an alles als agilen Prozess ausgelegt haben, denn dadurch konnten wir sehr flexibel reagieren.

Was raten Sie Dritten, die sich mit IoT beschäftigen wollen?

Sie sollten Datenschutz ernst nehmen und sich darum kümmern. In Kürze kommt die neue europaweite Datenschutzgrundverordnung, dann werden viele Bereiche strenger geregelt; es ist wichtig, dem Benutzer die Kontrolle über seine Daten zu geben. Für App-Entwickler folgt daraus, dass sie offenlegen müssen, wofür sie Kunden- oder Nutzerdaten verwenden wollen. Entwickler müssen sich auch um Sicherheitsmaßnahmen bemühen. Außerdem ist Transparenz wichtig, Entwickler sollten so transparent wie möglich arbeiten. Open Source ist dafür ein guter Ansatz.