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Verwaltungsreform als Digitalisierungs-Booster

  • Rubrik Interview
  • Veröffentlichungsdatum 14.08.2024
Nicolas Zimmer

Schnellboot oder Tanker – wie schnell geht es mit der Digitalisierung der Berliner Verwaltung voran? Im Interview mit Nicolas Zimmer beleuchtet Berlins Chief Digital Officer Martina Klement, wie eine umfassende Verwaltungsreform als Katalysator für den digitalen Fortschritt dienen kann. Sie gibt Einblicke in die Zukunft der Bürgerämter, die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung und wie unser CityLAB dabei hilft, innovative Lösungen in die Praxis umzusetzen.

Nicolas Zimmer im Gespräch mit Berlins Chief Digital Officer Martina Klement

Nicolas Zimmer: Herzlich willkommen! Wir waren gerade gemeinsam im Kiezlabor. Eines der Highlights war, dass man dort spontan den Personalausweis oder Reisepass verlängern lassen konnte. Die glücklichen Gesichter, Menschen, die es kaum glauben konnten – das war ein schöner Anblick. Das Thema Bürgeramtsdienstleistung ist eine Herausforderung, der du dich in deiner Rolle auch stellen musst. Wie siehst du die Zukunft von Bürgeramtsdienstleistungen? Wird es das klassische Bürgeramt noch geben oder wird in Zukunft alles online abgewickelt? Was sind die Ideen und Wege, die du beschreiten möchtest?

Martina Klement: Es ist eine riesengroße Herausforderung, die ich mit der gesamtstädtischen Steuerung der Bürgerämter mit übernommen habe und wir haben schon viel auf den Weg gebracht. Ich möchte aber mit der Frage beginnen, wie das Bürgeramt der Zukunft aussieht. Ehrlich gesagt ist jeder Bürger, der sich den Gang zum Bürgeramt ersparen kann, ein Gewinn. Wir wollen natürlich digitalisieren, und zwar in allen Bereichen. Und damit ist natürlich nicht gemeint, ein PDF ausdrucken, auszufüllen, wieder einzuscannen, es dann digital abzuschicken, wo es dann von einem Sachbearbeiter bearbeitet wird, und dann kommt ein Brief zurück. Aber tatsächlich müssen wir, solange noch nicht alles oder vieles digital geht, erstmal Luft in den Bürgerämtern schaffen.

Wir haben etwa 20 Prozent mehr Personal für die Bürgerämter zur Verfügung gestellt. Es wird aber noch ein bisschen dauern, bis diese Pferdestärken auch spürbar auf die Straße gebracht werden können. Wir eröffnen neue Standorte und haben unser Terminmanagementsystem ZMS bereits verbessert. Weitere Verbesserungen werden folgen, wenn wir das sogenannte ZMS 2.0 einführen. Parallel dazu haben wir ständige Wahlbüros in den Bezirken eingerichtet, aus mehreren Gründen. Es gab Probleme bei der letzten Wahl, und das soll nicht mehr passieren. Aber auch, weil wir ohne ständige Wahlämter, oft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Bürgerämtern abziehen müssen, was natürlich zu Lasten der Bürgeramtstermine geht.

Besonders zuversichtlich bin ich in Bezug auf die digitale Ummeldung, die wir demnächst einführen werden. Wenn man bedenkt, dass jeder vierte Bürger, der das Bürgeramt aufsucht, um seinen Wohnsitz umzumelden, sollte das für entsprechende Entlastung sorgen. Aber es geht leider nicht alles von heute auf morgen. Viele Maßnahmen sind auf dem Weg und müssen Schritt für Schritt ihre Wirkung entfalten.

Nicolas Zimmer: Das ist auch nicht ganz trivial, weil die Rahmenbedingungen nicht so einfach zu beeinflussen sind. Wir haben mittlerweile eine beachtliche Anzahl von Online-Diensten, aber ich habe das Gefühl, dass sich das noch nicht überall herumgesprochen hat. Was kann man da aus deiner Sicht tun?

Martina Klement: Wir haben tatsächlich das Problem, dass selbst die einzelnen Verwaltungen nicht immer wissen, was sie selbst schon online anbieten. Wir haben uns als Land Berlin das Ziel gesetzt, mehr Transparenz zu schaffen und nutzen ein Dashboard, in dem wir zusammentragen, was zentral im Service-Portal Berlin oder auch dezentral angeboten wird. Dabei haben wir festgestellt, dass wir mindestens 350 Dienstleistungen digital anbieten. Das wissen aber nicht alle Bürgerinnen und Bürger. Das werden wir jetzt angehen. Wir werden Kampagnen starten, denn es ist wichtig, dass die Menschen in Berlin überhaupt wissen, was digital möglich ist. Dann müssen wir natürlich sicherstellen, dass sie die digitalen Angebote auch finden und dass diese nutzerfreundlich sind. Verwaltung bleibt Verwaltung, aber die Nutzerfreundlichkeit ist entscheidend.

Nicolas Zimmer: Nutzer:innenfreundlichkeit ist ein gutes Stichwort. Es gibt diverse Anwendungsbeispiele, bei denen viele einfach verzweifeln. Das liegt oft daran, wie die dahinterliegenden Fachverfahren strukturiert sind und da gibt es viel zu tun. Eine grundsätzliche Herausforderung ist, dass ein schlecht gestalteter Prozess digitalisiert auch nur ein schlecht digitalisierter Prozess ist. Das weist auf grundsätzliche Probleme hin. Wie sind die verwaltungsinternen Prozesse organisiert? Wer ist wofür zuständig und wie gehen wir eigentlich mit der Verwaltungsreform um?

Martina Klement: Ich denke, jeder, der schon länger in der Berliner Verwaltung arbeitet, hat eine oder mehrere Verwaltungsreformen miterlebt. Aber das Momentum ist gut, vielleicht ist durch die Wiederwahl die Erkenntnis gereift, dass es so nicht weitergehen kann und darf.  Die Vorgängerregierung hat mit ihrer Senatsvorlage die Verwaltungsreform auf den Weg gebracht, darauf konnten wir aufbauen. Im Senat haben wir einen umfassenden Beteiligungsprozess gestartet, mit Workshops und vielen Formaten, um herauszuarbeiten, was wir anpacken müssen. Dabei haben wir festgestellt, dass es keinen einheitlichen Katalog gibt, in dem alle Aufgaben der Berliner Verwaltung aufgeführt sind und wer dafür zuständig ist. Das müssen wir in einem ersten Schritt schaffen.

Dieser Prozess muss dazu genutzt werden, um einheitliche Zuständigkeiten zu definieren und zu prüfen, ob bestimmte Aufgaben überhaupt noch notwendig sind und welche Prozesse optimiert oder automatisiert werden können. Es ist wichtig, erst zu optimieren und dann zu digitalisieren.

Nicolas Zimmer: Das Thema KI ist ja offensichtlich ein Game-Changer. Wie schnell werden wir KI in der Verwaltung einsetzen?

Martina Klement: Wir setzen KI bereits in verschiedenen Bereichen ein. Viele Verwaltungen und auch die Polizei nutzen KI für bestimmte Aufgaben. Der Leidensdruck in der Verwaltung ist groß, und die Skepsis gegenüber KI nimmt ab. Angesichts des Fachkräftemangels müssen die Aufgaben künftig mit weniger Personal bewältigt werden. Automatisierung und KI können hier einen großen Beitrag leisten. Dinge wie automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung können auch viel Energie sparen.

Nicolas Zimmer: Das CityLAB beschäftigt sich in dem Projekt Parla auch mit der Frage, wie man Informationen aus dem Parlament aufbereiten kann, beispielsweise um Verwaltungsprozesse zu optimieren. Wir feiern heute fünf Jahre CityLAB, das in dieser Zeit auch selbst einen Veränderungsprozess durchgemacht hat. Wir sind sehr viel praxisorientierter geworden und mittlerweile auch sehr stark in die Verwaltungsprozesse eingebunden. Wir versuchen vor allem auch, Dinge gemeinsam zu lösen. Was denkst du, was können Verwaltung und CityLAB voneinander lernen? Was wünscht Du Dir für die nächsten fünf Jahre?

Martina Klement: Das CityLAB arbeitet innovativ und spontan, das könnte auch die Verwaltung übernehmen. Andererseits muss das CityLAB auch verstehen, warum bestimmte Verwaltungsabläufe so sind, wie sie sind. Wir müssen sicherstellen, dass wir mit dem Schnellboot CityLAB auf der einen und dem Tanker Verwaltung auf der anderen Seite nicht zu weit auseinanderdriften. Denn wir können Dinge nur dann in die Verwaltung einbringen oder etablieren, wenn sie auch verwaltungskonform sind. Und das tun wir. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich beim Leiter Dr. Benjamin Seibel und dem gesamten Team des CityLAB für die Arbeit der letzten fünf Jahre bedanken. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

CityLAB Berlin

Gut gelaunte Menschen stehen vor dem Eingang des CityLABs

Im CityLAB wird Innovation und Partizipation zusammen­gedacht: Verwaltung und Stadtgesellschaft arbeiten hier gemeinsam an Lösungen für das digitale Berlin von Morgen.


Zielgruppe

Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft